Es
gibt ja zahlreiche Mythen und andere Aufhänger aus der
Vergangenheit, die über viele Jahre hinweg immer wieder aufgewärmt
werden und als literarische Vorlage dienen. Es ist eben so, dass sich
gerade diese hervorragend dafür eignen, seine eigene Fiktion drum
herum auszubauen und dem geneigten Leser anzubieten. „Jack the
Ripper“, der niemals gefasste Mörder an Prostituierten von
Whitechapel, ist so eine Figur, die inzwischen wohl von unendlich
vielen Autoren immer wieder ins Spiel gebracht wird. Ich muss
gestehen, dass ich nach dem, gefühlt, 20. „Jack the Ripper“-Roman
im Vorninein recht skeptisch bin. Doch dieses Mal bin ich froh, dass
ich den Historischen Kriminalroman „Stadt in Angst“ von John
Matthews gelesen habe. Und ich bin wirklich begeistert.
Da
gibt es natürlich die als „Kanonischen Fünf“ bezeichneten Morde
in London in der zweiten Hälfte des Jahres 1888, die wohl ganz
sicher dem Ripper zugeordnet werden können. Dafür sprechen zu viele
Fakten und Gemeinsamkeiten in der Tatausführung, sowie der Art von
Opfern. Darüber hinaus sind noch heute viele Fragen offen, so dass
eben nicht geklärt ist, ob noch weitere Taten, und falls ja, welche,
auf das Konto des Täters gehen. Nun, der Autor John Matthews lässt
den Ripper über den Großen Teich ziehen und sein Unwesen in New
York weiter treiben. Auf ebenso bestialische und grausame Art und
Weise. Wieder sind es weibliche Prostituierte, die ihrem Geschäft in
Hafennähe nachgehen, und wieder werden sie aufgeschlitzt. Organe
werden aus dem Torsos heraus geschnitten und, wie sich herausstellt,
mit einem Zeichen versehen. Dadurch lässt sich die Verbindung zu den
Leichen von London herstellen.
Nun
gehen die Ermittlungen natürlich von Scotland Yard zur New Yorker
Polizei über, allerdings nicht, ohne das ein englischer Vertreter
mit seinen im Zuge der Ermittlungen erworbenen Fähigkeiten und
Kenntnissen hilfreich zur Seite stehen soll. Wer sind die
Hauptprotagonisten? Detective Argenti, 42 Jahre alt, ein Sohn
italienischer Einwanderer, der im Alter von sieben Jahren in die USA
kam. Er ist verheiratet und Vater. Dazu gesellt sich der
Kriminalanalytiker Finley Jameson, erst Anfang 30, mit sauber
gestalteten Vollbart, studierter Mediziner und gebürtig aus London,
der nun in New York ansässig und mit der Begleitung der laufenden
Ermittlungen beauftragt ist. Stets in der Nähe von Jameson findet
sich sein Assistent Lawrence. Korrupte Polizeibeamte, die in direkter
Verbindung zur Unterwelt stehen, sind im Gesamtverlauf der Story
obligatorisch.
John
Matthews baut in „Stadt in Angst“ alle seine Charaktere behutsam
auf und verteilt die Entwicklungen im Geiste des Lesers über das
gesamte Buch. Schnell bemerkt Argenti, zu Beginn noch mit Argwohn
gegenüber Jameson behaftet, dass man eine sehr ähnliche und
bewegende Geschichte mit sich trägt. Beide sind sensibel. Es geht
zunehmend um Freundschaft und gegenüber Lawrence um gegebene
Versprechen, die es nach allen Möglichkeiten einzuhalten gilt. Da
wird die Umsetzung des Plots, in dem sich der unbekannte Täter in
nicht überraschender Weise mit persönlichen Briefen an die Presse
und somit an die Ermittler wendet, doch eher zur Nebensache.
Natürlich gibt er Rätsel auf, die es zu lösen gilt. Und natürlich
möchte er gefunden werden. Das Ganze passt logisch zur Perversion
der Taten.
Dem
Autor gelingt es, die Atmosphäre der Zeit an den Leser zu bringen,
dazu lässt er mit zunehmender Zeit eine gehörige Portion Action vom
Stapel. Ein Stück Gesellschaftskritik, die sich schon damals
abzeichnende Schere zwischen Arm und Reich, scheingt dabei immer mit.
Das Ganze ergibt eine packende Szenerie, die es dem Leser sehr leicht
macht, darin einzutauchen. Im Ergebnis ist „Stadt in Angst“
deswegen für mich ein spannender Roman auf bereits ausgefranster
Bühne, nämlich dem „Jack the Ripper-Thema“, der Spaß macht und
für Krimifans äußerst unterhaltsam ist. Dieses Buch macht Laune
und löst die Hoffnung aus, dass diese Protagonisten weitere Fälle
lösen werden. Denn auf der Rückseite des Buches steht „Der erste
Fall von...“.
508
Seiten
ISBN:
3442204380
erschienen
am 15. September 2014
Page
& Turner
übersetzt
von Andreas Jäger